Café Fröhlich – der Name ist Programm
Ein pinker Ball geht rum: Jeder Gast soll ein Haustier nennen, immer dem Alphabet nach, und dann den Ball weiterspielen. D wie Dackel geht okay. F wie Fuchs – das gibt Lacher und Protest. „Das ist doch kein Haustier.“ F wie Fisch wird akzeptiert. Gorilla, Hase, Igel, Jaguar, Katze – munter geht es hin und her zwischen Tieren und Haustieren. Da ist das L dran. Diejenige, die den pinken Ball geerntet hat, reagiert: „Ein Tier mit L? Ich habe ja nichts in meinem Gedächtnis, deshalb weiß ich das nicht.“
Willkommen im „Café Fröhlich“, dem Betreuungsangebot der Evangelischen Kirchengemeinde Menden-Meindorf für Menschen mit Demenz. Seit 13 Jahren können hier Demenzerkrankte ihre Freitagnachmittage verbringen, betreut von einem Team. Selbst Corona hat das Angebot überlebt.
Der Pflaumenkuchen ist selbst gebacken. Für die Blumen auf dem Tisch „haben wir unsere Gärten geplündert“, erzählt lachend eine der Betreuerinnen. Wiesenblumen stehen in den drei Vasen. Als der Kuchen verteilt ist und jede, die will, auch Schlagsahne bekommen hat, schwärmt eine Teilnehmerin: „Hier ist immer jede Kleinigkeit so liebevoll gestaltet, dass man sich einfach wohlfühlen muss.“ Und ganz grundsätzlich erklärt die 84-Jährige: „Wir sind hier nämlich Genießer.“
Der Nachmittag läuft immer gleich ab, Orientierung ist immer gut für Menschen mit Demenz. Erst gibt es Kaffee und Kuchen. Auf dem weiteren Programm stehen Gymnastik, verschiedene Gedächtnisübungen und Quiz-Spiele. Jeden Freitag gibt es ein Thema. Diesmal also: Haustiere!
Gemeinschaft spüren
Eines ist anwesend: Sita, der Hund von einer der Betreuerinnen. Sita hats gut, stromert durch den Kirchsaal und holt sich zwischendurch Streicheleinheiten der Gäste ab. An diesem Freitag betreuen vier Teamerinnen fünf Gäste. Maximal neun Gäste sind möglich, intensive Begleitung also.
Das Team setzt sich zusammen aus gerontopsychiatrisch ausgebildeten Fachkräften und geschulten Helferinnen. Das Angebot ist kostenpflichtig. Die 25 Euro pro Nachmittag erstattet die Pflegeversicherung. Die drei Stunden haben einen Effekt, der hier nicht sichtbar ist: Betreuende Angehörige haben in dieser Zeit eine Auszeit.
Café Fröhlich – natürlich ist der Name auch Programm, betont eine der Teamerinnen. Lachen, die Ablenkung genießen, Gemeinschaft spüren, darum gehts. Derzeit gehören nur Gäste zur Gruppe, die noch recht fit sind. Wie die Teilnehmerin, die noch in der Lage ist zu erklären, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat.
Singen, reimen, kommentieren
Im Tiere-Alphabet ist inzwischen der Buchstabe V dran. Die Teilnehmerin stutzt kurz. Dann malt sie mit dem Finger in die Luft ein V. Es sieht aus, als schaute sie sich dieses V in Ruhe an. „Vogel“ sagt sie dann und beginnt zu singen: „Ein Vogel wollte Hochzeit feiern…“ Die anderen Gäste fallen prompt ein: „Fiderallala, fiderallala, fiderallalalala!“
Weitere heitere Übungen folgen, mehrere Vorlese-Geschichten, bei denen die Teilnehmerinnen Reime, Sprichwörter oder Liedzeilen ergänzen sollen, so gut sie sich erinnern. Fuchs, du hast die Gans gestohlen – wie geht es weiter? Gib sie wieder her, weiß eine. Ihre Nachbarin fährt fort: Sonst kommt dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr. Trocken kommentiert eine dritte Frau: „Ein schönes Kinderlied ist es aber nicht!“
Dann wieder regen die Betreuerinnen die Gäste dazu an, besondere Funktionen von Hunden zu beschreiben und sich darüber auszutauschen. Hütehund, Rettungshund, Schlittenhund, es kommen immer mehr Ideen zusammen, „welche Hunde uns nicht nur erfreuen, sondern auch nützlich sind“. Blindenhund, Zollhund. Trüffelhund.
Betreuerinnen sind mit Herzblut dabei
Das „Café Fröhlich“ funktioniert auch deshalb, weil mehrere Ehrenamtliche aus der Kirchengemeinde die Gäste mit dem Auto herbringen und anschließend auch nach Hause zurückfahren. Und weil insgesamt zehn Betreuerinnen zum Team gehören. Sie sind „alle mit Herzblut dabei“, betonte eine der Teamerinnen. Wenn nötig, springen sie füreinander ein. Aufeinander ist Verlass.
Für Begeisterung sorgen auch die Kuschel-Hunde, die eine Betreuerin mitgebracht hat. Die Gäste betrachten sie, ertasten das weiche Fell, eine wiegt das einstige Kinderspielzeug sanft im Arm. Die Teamerinnen kurbeln immer wieder Gespräche an: Hatten Sie früher ein Haustier? „Das weiß ich alles nicht mehr“, sagt eine. „Ja, einen grünen Wellensittich“, erinnert sich eine andere.
„Einen Dackel“, meldet sich eine andere Seniorin zu Wort und kommt auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs zu sprechen: „Wir mussten ja unsere Heimat verlassen. Unsere Mutter sagte: Der bleibt da. Mein Bruder sagte: Dann bleibe ich auch da. Und so ist der Hund mit uns gekommen.“
Demenzerkrankungen nehmen zu
Die Zahl der Menschen, die an einer Demenz erkranken, nimmt kontinuierlich zu, heute sind es mehr als 1,8 Millionen Menschen, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Demenz heißt: Abbau und Verlust kognitiver und sozialer Fähigkeiten, u.a. gehen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Orientierung, planendes Handeln und die Fähigkeit zu sozialem Austausch schrittweise verloren. Es gibt verschiedene Arten von Demenz.
Demenz – sie führt häufig in Einsamkeit und in eine vergessene Ecke. Das betrifft die Erkrankten ebenso wie pflegende Angehörige. Deshalb gibt es das Café Fröhlich – und deshalb gibt es zum Café Fröhlich eine Kooperation: das Angehörigencafé. In der Regel einmal im Monat tauschen sich parallel Angehörige aus. Sie erhalten beispielsweise Antworten auf praktische Fragen wie: Welche Leistungen bekomme ich über die Pflegekasse?
Falls Sie Fragen haben oder Interesse, dann melden Sie sich gerne in unserem Gemeindebüro (312160) oder unten menden-meindorf@ekir.de.